Der Chaos-Flugsommer beschäftigt das ganze Land. Überfüllte Flughäfen, mehrere tausend gestrichene Flüge in der Ferienzeit und völlig überforderte Mitarbeitende bei den Airlines haben die Freude auf die erste große Flugreise nach der Pandemie zu einem Desaster verkommen lassen. Claudia Brosche, Fluggastrechtsexpertin bei Flightright, erklärt, welche Rechte den Passagier:innen zustehen und wie sie ihren Anspruch auf Entschädigung am besten durchsetzen.
Probleme und welche Rechte Sie haben
Wer diesen Sommer in den Urlaub fliegen will, muss mit besonders vielen Komplikationen rechnen, die für Flugreisende sehr frustrierend sein können. Grundsätzlich sollten Flugreisende schon zu Hause überprüfen, ob der Abflug verspätet ist oder gestrichen wurde. Zudem sollte man mehr Zeit für Sicherheitskontrollen und Gepäckabfertigungen einplanen und sich über den Flughafen oder die Fluggesellschaft über mögliche Zeitangaben informieren. Falls möglich, ist es ratsam, Flüge am Morgen zu buchen, da der Rückstau ausfallender Flüge geringer ist. Allem voran die Lufthansa versagt aktuell auf kompletter Linie und streicht tausende Flüge, weshalb sich Lufthansa-Chef Carsten Spohr an die Kundinnen und Kunden wenden musste, um sich für die mangelnde Verlässlichkeit und Pünktlichkeit zu entschuldigen. Die dafür geltenden Rechte von Flugreisenden sind in der EU-Fluggastrechte-Verordnung festgehalten. Die Verordnung gilt für Flüge, die von einem Flughafen in der EU abfliegen, sowie für Flüge, die auf einem Flughafen in der EU landen, wenn die durchführende Fluggesellschaft ihren Sitz in der EU hat.
- Flugannullierung:
„Sollte der Flug ausfallen, haben Passagier:innen grundsätzlich Anspruch auf einen Ersatzflug oder die Erstattung des Tickets. Bucht sich der oder die Passagier:in ein neues Ticket, das teurer sein sollte, ist es möglich, sich zusätzlich den Differenzbetrag zwischen altem und neuem Ticket erstatten zu lassen. Wird ein Flug weniger als 14 Tage vor dem Abflug annulliert, kann Passagier:innen nach EU-Fluggastrechte-Verordnung eine Entschädigungszahlung zwischen 250 und 600 Euro pro Person zustehen“, so Brosche. In Deutschland haben Flugreisende drei Jahre Zeit, um für ihre Flugprobleme eine Entschädigung zu fordern. Ist der Flugausfall durch außergewöhnliche Umstände verursacht worden, z.B. durch Streiks der Flugsicherung oder des Flughafenpersonals, Unwetter oder Vogelschlag und hat die Airline im Zweifel gerichtlich bewiesen, alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen zu haben, gibt es keine Entschädigung. Flugreisende haben dann aber Anspruch auf eine Rückzahlung des Ticketpreises.
„Ab zwei Stunden Wartezeit haben Passagier:innen Anspruch auf Versorgung mit Getränken und Snacks durch die Airline. Kommen Passagier:innen mehr als drei Stunden später am Zielflughafen an, kann ihnen nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung je nach Länge der Flugstrecke eine Entschädigung zwischen 250 und 600 Euro zustehen”“, erklärt Brosche. Der Anspruch auf Entschädigung gilt auch bei verpassten Anschlussflügen, wenn beide Flüge Teil einer einheitlichen Buchung waren. Wie viel Geld Flugreisende für das Flugticket bezahlt haben, ist für die Entschädigung unwichtig. Auch der Anlass der Reise spielt keine Rolle. Geschäftsreisende haben bei einer Flugverspätung genauso Anspruch auf eine Entschädigung wie Individualreisende und Pauschalreisende. Wichtig: Auch Babys und Kinder haben bei einer Flugverspätung Anspruch auf eine Ausgleichszahlung. Einzige Bedingung ist, dass für das Kind ein Ticket gekauft wurde und es nicht kostenlos mitgeflogen ist.
- Pauschalreise abgesagt:
Die Rechte von Urlauber:innen sind in der EU-Pauschalreise-Richtlinie geregelt. Diese sagt klar: Kann eine Reise nicht wie geplant durchgeführt werden, können Veranstaltende sie absagen. In diesem Fall erhalten Reisende ihr Geld zurück. Das gilt auch für Reisen, die aufgrund der Corona-Pandemie nicht stattfinden können. Reisende müssen dann das Geld für Hotel und Flug in voller Höhe zurückbekommen. Reisende müssen auch keine Gutscheine für ihren ausgefallenen Pauschalurlaub annehmen. Sie können auf einer Rückzahlung des Reisepreises bestehen. Wichtig ist hierbei, sich bei Problemen direkt an die Reiseveranstaltenden zu wenden. Nur wenn die Reise ausschließlich aufgrund der Flugannullierung abgesagt wurde, können sich Reisende mit der Entschädigungsforderung direkt an die Airline wenden.
- Streik:
Streiks verursachen regelmäßig Störungen im Flugbetrieb. Führt der Streik zur kurzfristigen Annullierung des Fluges oder einer großen Verspätung, sind Airlines verpflichtet, Flugreisenden zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen Ersatztransport zu organisieren. Bei langen Wartezeiten am Flughafen haben Flugreisende zudem Anspruch auf Versorgung in Form von Getränken, Mahlzeiten, Telefonaten und sogar Hotelübernachtungen. Wenn sich der Flug um mehr als fünf Stunden verspätet oder komplett ausfällt, können Flugreisende den Ticketpreis zurückverlangen. Ein Anspruch auf Entschädigung von bis zu 600 Euro kann dann vorliegen, wenn das Personal der Fluggesellschaft streikt. Aber auch bei Streiks der Flughafenmitarbeiter:innen oder der Fluglots:innen sind die Airlines nicht automatisch von der Entschädigungszahlung befreit. Passagier:innen können laut Brosche auch dann einen Anspruch haben, wenn die Airlines nicht alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen haben, um die Folgen des Streiks so gering wie möglich zu halten.