Berlin, 12. Dezember 2019 – Deutsche Gerichte klagen über eine zunehmende Überlastung durch Fluggastrechteverfahren. Dazu tragen vor allem die Airlines bei, die die Ansprüche der Kunden abblocken oder unberechtigterweise ablehnen. Kunden von Air Baltic sollen beispielsweise persönlich am Hauptsitz in Riga erscheinen. Die Rechtsexperten von Flightright meinen: Das ist unnötig. Trotzdem wollten sie der Forderung nachkommen, um auf die unfaire Hinhaltetaktik aufmerksam zu machen.
Flightright setzt Zeichen gegen Airline-Tricks
Manche Airlines versuchen, ihren Kunden möglichst viele Steine in den Weg zu legen, bis sie eine Entschädigung nach EU 261/2004 erhalten. Besonders lang ist der Weg für Passagiere von Air Baltic. Die lettische Fluggesellschaft verlangt von Kunden, die eine Verspätung oder einen Ausfall erlebt haben, ihre Entschädigungsforderung persönlich am Hauptsitz in Riga abzuholen. Nur so soll die Identität überprüft werden können. Völlig ungerechtfertigt, meint Oskar de Felice, Rechtsexperte bei Flightright: „Es gibt keine juristische Notwendigkeit für eine Identitätsüberprüfung – schon gar nicht vor Ort bei der Airline. Bei der Regelung geht es schlicht darum, so viele Passagiere wie möglich von der Einforderung ihrer rechtmäßigen Entschädigung abzuhalten, um Geld zu sparen.”
Trotzdem nahm das Fluggastrechteportal die Airline beim Wort und plante mit zwei betroffenen Kunden eine Reise nach Riga. Nachdem die Fluggastrechtsexperten den Besuch bei Air Baltic fristgerecht angekündigt hatten, ruderte die Airline plötzlich zurück. Entgegen ihrer eigenen Bestimmungen war sie nicht bereit, die Flightright-Vertreter zu empfangen und die Entschädigungsansprüche vor Ort zu bezahlen. Gleichzeitig unterbreitete Air Baltic Vorschläge, über die Zahlung der offenen Entschädigungen zu verhandeln. „Ob diese Reaktion auch zu einer langfristigen Veränderung im Verhalten der Airline gegenüber ihren Passagieren führt, ist fraglich”, kommentiert de Felice. „Vielmehr scheint das kurzfristige Zurückrudern reine Taktik, um den Besuch zu vermeiden. Die Airline will nicht, dass öffentlich bekannt wird, wie sie mit ihren Kunden umspringen. Air Baltic ist, wie viele andere Airlines, erst zu Verhandlungen bereit ist, wenn massiver Druck aufgebaut wird.”
Diese Taktik ist aber nur die Spitze des Eisberges der Airline-Tricks. Auch andere Fluggesellschaften greifen immer wieder zu fragwürdigen Methoden, um sich vor Entschädigungszahlungen zu drücken oder die Durchsetzung zu erschweren. Hier einige Beispiele:
1. Bordkarten anfordern
Bis vor Kurzem haben Airlines in Frankreich noch vehement darauf bestanden, einen Boarding Pass als Nachweis für die Entschädigungsforderung vorgelegt zu bekommen. Eine effektive Strategie, da kaum ein Reisender diesen nach dem Flug behält. Auf Initiative von Flightright hat der Europäische Gerichtshof im Oktober 2019 allerdings entschieden, dass diese Praxis rechtswidrig ist. Damit wurde dem unnötigen Anfordern von Bordkarten im Interesse aller Passagiere auf europäischer Ebene ein Riegel vorgeschoben.
2. Unnötige Dokumente verlangen
Besonders bei spanischen Airlines wie Vueling eine beliebte Taktik: Will man seine Entschädigung, verlangen sie Buchungsunterlagen und andere Dokumente. Da die meisten ihre Flüge direkt bei der Airline buchen, liegen diese Dokumente jedoch schon längst vor. Damit will Vueling den Prozess so lange wie möglich hinauszuzögern, bis die Passagiere irgendwann aufgeben. Auch Aeroflot und Lufthansa verlangen beispielsweise Personalausweiskopien ihrer Kunden. Lufthansa fordert seine Kunden gar dazu auf, ein Selfie mit dem Personalausweis oder Reisepass mitzusenden. „Das ist datenschutzrechtlich äußerst bedenklich”, meint auch de Felice. „Außerdem fragt man sich, warum Ausweiskopien für eine Entschädigungszahlungen notwendig sind.”
3. Deutsche Passagiere werden benachteiligt
Frankreich ist für seine Streikkultur bekannt. Französische Gerichte haben in der Vergangenheit immer wieder entschieden, dass ein Streik des Airline-Personals kein außergewöhnlicher Umstand ist. So werden diese in der Regel mit genug Vorlauf angekündigt und die Fluggesellschaften haben genügend Zeit, sich darauf vorzubereiten. Diese Sichtweise gilt allerdings nach Ansicht von Air France nur für französische Fluggäste. Passagiere aus Deutschland erhalten von Air France für den gleichen Flug keine Entschädigung. Die Airline begründet dies damit, dass ein Streik des Airline-Personals in Deutschland als außergewöhnlicher Umstand gewertet wird und deshalb nicht entschädigt werden muss. Aus Sicht der Flightright-Experten eine nicht nachvollziehbare Diskriminierung.
4. Mit AGB-Tricks gegen Unterstützung durch Rechtsexperten
Besonders bei Airlines wie Ryanair beliebt: AGB-Klauseln, die Passagiere davon abhalten sollen sich für die Durchsetzung ihrer Entschädigungsansprüche direkt Hilfe bei Anwälten oder Fluggastrechtportalen zu suchen. „Eine klassische Verzögerungstaktik, mit der die Airline Passagiere verunsichert und ihnen Steine in den Weg gelegt werden sollen. Jedem Fluggast steht es frei, seine Ansprüche selbst, per Anwalt oder mit einem Legal Tech Unternehmen geltend zu machen. Was Ryanair macht, verstößt gegen die EUFluggastrechteverordnung und erschwert Verbrauchern die Durchsetzung ihrer gesetzlichen Entschädigungsansprüche”, kommentiert Oskar de Felice. Das sehen auch die Verbraucherschützer der Wettbewerbszentrale so. Sie reichten daher im November 2019 Klage gegen die irische Airline ein.
Fluggäste sollten ihre Rechte konsequent verfolgen
Bei Unregelmäßigkeiten im Flugablauf gilt generell: Ab einer Verspätung von drei Stunden haben Reisende ein Recht auf Entschädigung, wenn die Airline die Flugstörung verursacht hat. Fluggastrechtportale sind mit den Tricks und Taktiken der Airlines vertraut und lassen sich von ihnen nicht abhalten. Sie helfen bei der Durchsetzung der Ansprüche und kämpfen für die Entschädigung der Fluggäste, wenn nötig auch vor Gericht. Das Wichtigste ist aber: Reisende sollten ihre Rechte nicht nur gut kennen, sondern auch aktiv einfordern.