Berlin, 16. Dezember 2020 – Verspätungen und Flugausfälle trotz geringerem Flugaufkommen, wenig bis kaum Erstattungen von Ticketkosten für annullierte Flüge. Im Corona-Jahr 2020 mussten sich Fluggäste einiges gefallen lassen. Zum Abschluss des Jahres blicken die Experten von Flightright auf ein turbulentes Flugjahr zurück und geben einen Ausblick auf 2021.
Alles anders: Luftfahrtbranche stark gezeichnet
Leere Abflughallen, verlassene Terminals und am Boden stehende Flugzeuge: Nach mittlerweile rund zehn Monaten mit der Pandemie bleibt die Luftfahrtbranche gebeutelt zurück. Von heute auf morgen stand die Welt still und mit ihr die Flugzeuge. Im Vergleich zu 2019 brach das Flugaufkommen um ganze 60 Prozent ein. Waren es 2019 noch rund 895.000 Flüge ab Deutschland, so waren es im Krisenjahr 2020 nur noch knapp 356.000 Flüge. Trotz insgesamt weniger Abflügen war die Ausfallrate mit rund 3 Prozent (rund 10.900 ausgefallene Flüge) jedoch deutlich höher als 2019, als sie noch bei etwa 1,4 Prozent (12.300 ausgefallene Flüge) lag.
„Dieses Flugjahr stand vollständig im Zeichen Pandemie. Alles war anders und nichts vorhersehbar“, so Philipp Kadelbach, Gründer und Chief Legal Officer von Flightright. „So etwas hat die Luftfahrtbranche noch nicht erlebt. Dennoch ist die Anzahl der Flüge, die eigentlich stattfinden konnten, aber dann kurzfristig aus wirtschaftlichen Gründen abgesagt wurden, viel zu hoch. In diesem Punkt habe ich wenig Verständnis für das Verhalten der Airlines“, so Kadelbach weiter.
Von den Flügen, die tatsächlich stattfanden, hatten rund 12.670 (3,5 Prozent) eine Verspätung von mehr als 30 Minuten. Das waren zwar 85 Prozent weniger Verspätungen als 2019, als rund 89.500 Flüge (10 Prozent) mit einer mehr als 30-minütigen Verspätung starteten. Doch gemessen am geringeren Flugaufkommen war der Anteil an verspäteten Flügen 2020 um einiges höher
Flughäfen und Airlines unter der Lupe
Wie bereits im Jahr zuvor verzeichneten in Deutschland auch im Corona-Jahr 2020 die Flughäfen Frankfurt, München, Düsseldorf, Berlin-Tegel und Hamburg die meisten Abflüge. Die internationalen deutschen Flughäfen mit den wenigsten Abflügen blieben auch 2020 Leipzig, Dresden, Münster, Saarbrücken und Erfurt.
Die prozentual wenigsten Flugausfälle und -verspätungen von mehr als 30 Minuten verzeichneten Sun Express (0,2 Prozent) und AIS Airlines (0,4 Prozent). Zusammen mit Adria
Airways (4,1 Prozent) und SAS (3,5 Prozent) führte Sun Express (3,7 Prozent) die Liste der Top3-Fluggesellschaften mit den meisten Flugausfällen und -verspätungen an. Dieses Jahr belegen WizzAir (10,6 Prozent), easyJet (6,8 Prozent) und KLM Cityhopper (5,6 Prozent) diese vordersten Plätze der Negativ-Top-3.
Die Top-5-Airlines mit den meisten Ticketerstattungen Was die Ticketerstattung von Corona-bedingt ausgefallenen Flügen anging, zeigten sich insbesondere easyJet, Eurowings, Austrian Airlines, TUIfly, KLM, Singapore Airlines und Condor bemüht bis vorbildlich. „Trotzdem hielten auch diese Airlines in den meisten Fällen die in der EU-Fluggastrechteverordnung festgelegte 7-Tage-Frist zur Ticketerstattung nicht ein“, so Alexander Weishaupt, Rechtsexperte bei Flightright. „In Anbetracht der Ausnahmesituation und den vielen zu bearbeitenden Forderungen ist das zwar nicht vollkommen überraschend. Um die Fluggäste nicht auf ihren Kosten sitzen zu lassen, haben wir durch eine intensive Kommunikationsarbeit mit den Airlines individuelle Lösungen erarbeitet.“ Wenn der Anspruch auf eine Erstattung berechtigt war, erstatteten diese Fluggesellschaften den Passagieren die bezahlten Ticketkosten.
Die Flop-5-Airlines mit den wenigsten Ticketerstattungen
Mit einer negativen Erstattungspraxis sind 2020 einige Airlines aufgefallen, die sich auch schon bei der Begleichung von Entschädigungsansprüchen mehr als zurückhaltend verhielten. Hierzu gehören unter anderem TAP Portugal, Iberia, Vueling, WizzAir und vor allem Ryanair. Der wohl überraschendste Erstattungsverzögerer dieses Jahres war aber die deutsche Lufthansa. Erst nach zahlreichen Klageeinreichungen zeigte sich die Airline ansatzweise kompromissbereit. Auch Ryanair begann erst nach Klagen von Flightright, die Ansprüche von Kunden zu begleichen. „Dieses Jahr haben viele Airlines ein besonders verbraucherfeindliches Verhalten an den Tag gelegt. Kundenfreundlichkeit und Fairness sehen anders aus“, fasst Alexander Weishaupt, Rechtsexperte bei Flightright zusammen. „Es gibt allerdings auch einen positiven Ausblick. Aktuell befinden wir uns in Gesprächen mit Ryanair, um eine Lösung zu finden, die eine außergerichtliche Einigung in sämtlichen Fällen ermöglicht”, so Weishaupt weiter.
Normalisierung des Flugverkehrs erst 2024
„Wir gehen davon aus, dass sich der Flugverkehr ab der zweiten Hälfte 2021 langsam erholen und circa 70 bis 80 Prozent des Vor-Corona-Levels erreichen wird“, prognostiziert Philipp Kadelbach „Eine Normalisierung des Flugvolumens auf das Level von 2019 werden wir aber vermutlich erst im Jahr 2024 sehen.“ Die bald verfügbare Corona-Impfung könnte sich positiv auf den internationalen Flugverkehr auswirken: Zum einen schafft sie mehr Sicherheit, was das Infektionsgeschehen angeht, und zum anderen wird mit ihr voraussichtlich ein neu gewonnenes Freiheitsgefühl einsetzen, das zu einer größeren Reisebereitschaft führen könnte. „Für das Jahr 2021 wünschen wir uns, dass Passagiere ihr Grundvertrauen in das Fliegen, das sie verständlicherweise im Zuge der unanständigen Erstattungsmentalität einiger Airlines verloren haben, zurückgewinnen“, so Kadelbach. „Die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass nichts so beständig ist wie der Wandel und dass alle 10-Jahres-Prognosen bezüglich des Luftverkehrs vollkommen obsolet sind. Wir hoffen, dass das Jahr 2021 weniger chaotisch startet und werden die Fluggäste bei allen aufkommenden Flugausfällen und – verspätungen wie gewohnt mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen“, fasst Kadelbach zusammen.
Disclaimer
Alle Angaben zu Flügen basieren auf den uns zur Verfügung stehenden Daten. Die Daten sind reliabel, erheben jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie erfassen den Zeitraum vom 01.01. bis 22.11.2020 bzw. 2019 und berücksichtigen Abflüge ab Deutschland. Für eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse umfasst die Analyse der Airlines die 30 Fluggesellschaften mit den meisten Abflügen ab Deutschland im genannten Zeitraum. Bei den Flughäfen wurden die internationalen deutschen Flughäfen berücksichtigt.