- EuGH-Generalanwalt Paolo Mengozzi befindet in seinem Schlussantrag das geplante Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union sei in seinem gegenwärtigen Stand rechtswidrig
- Dr. Philipp Kadelbach, Mitgründer und CEO von Flightright, begrüßt diese Einschätzung, weil so die Reisenden nicht unter Generalverdacht gestellt werden
Potsdam, 08. September 2016: Nach fast zweijähriger Prüfung des Abkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada kommt der Generalanwalt am EuGH zu dem Schluss, dass die verdachtslose und grundlegende Datenspeicherung aller Fluggäste für fünf Jahre nicht mit der Grundrechte-Charta der EU vereinbar sei. Nun werden wohlmöglich auch die schon bestehenden Abkommen mit den USA und Australien auf dem Prüfstand stehen. Das Fluggastrechte-Portal Flightright kommentiert die Entscheidung.
„Wir sind erleichtert, dass sich der Generalanwalt des EuGH gegen das Abkommen ausgesprochen hat und gehen davon aus, dass sich der EuGH dieser Einschätzung anschließen wird. Außerdem ist es das richtige Signal für die Politiker in Brüssel, auf dieser Basis eine Entscheidung zu treffen. Sie müssen nun das Abkommen ggf. anpassen“, so Dr. Philipp Kadelbach, Mitgründer und CEO vom Fluggastportal Flightright und Rechtsexperte. „Die grundsätzliche Verdächtigung und Nachverfolgbarkeit, die diese transkontinentale Fluggastdatenspeicherung mit sich gebracht hätte, wäre unhaltbar gewesen. Das Konzept sah vor, dass Reisende, die in ein zuvor festgelegtes Raster fallen, als Terrorverdächtige eingestuft worden wären. Zudem ist die Wirksamkeit zur Vermeidung von Terroranschlägen fraglich, da beispielsweise die ohnehin schon polizeibekannten Attentäter von Paris und Brüssel keine Flugreisen unternahmen und die Speicherung der Daten vermutlich nicht zur Verhinderung oder Aufklärung beigetragen hätten. Man sollte dieses Budget besser in die Förderung der Polizei investieren und effektive Kontrollen über Ländergrenzen hinweg aufbauen, anstatt alle unter Generalverdacht zu stellen“, sagt Kadelbach weiter.
Pro Reisendem und pro Flug sollten bis zu 60 Einzeldaten zentral gespeichert werden und über Kontinente hinweg verfügbar sein: Das sah das Fluggastdatenspeicherungs-Abkommen zwischen Kanada und der EU vor. Das geplante Abkommen zur Verarbeitung und Übermittlung der PNR-Daten (Passenger Name Record) sollte vor allem zur Terrorismusbekämpfung eingeführt werden. Zu den festgehaltenen Daten hätten Name, Adresse, Sitzplatz und weitere Angaben wie Flugnummer, Essenspräferenz oder Hotel gezählt. Kritisch gesehen wurde vor allem die „freie Beobachtung“ der Airline-Mitarbeiter, in der verdächtige Verhaltensweisen festgehalten werden sollten.
Durch die Einschätzung des Generalanwalts könnten auch die bestehenden Abkommen mit den USA und Australien erneut auf den Prüfstand kommen.
Der Generalanwalt am EuGH fungierte hierbei als prüfende Instanz, nicht als Richter. Zwar sind die Schlussanträge des Generalanwalts für den Europäischen Gerichtshof nicht bindend, allerdings besteht die Aufgabe des Generalanwalts darin, dem Gerichtshof einen unabhängigen Entscheidungsvorschlag zu unterbreiten. Die Richter des EuGH treten nunmehr in die Beratung über das Abkommen ein. Die Urteilsverkündung geschieht zu einem späteren Zeitpunkt. in 70% der Fälle folgt der EuGH der Empfehlung des Generalanwalts.
Nach einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom sind Reisende der Speicherung von persönlichen Daten gegenüber prinzipiell sogar aufgeschlossen – vorausgesetzt sie bekommen einen Mehrwert in Form von Reisezeitreduzierungen, Reiserabatten sowie persönlich zugeschnittenen Angeboten, unter Einhaltung der höchsten Datenschutzstandards. Das wäre jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen. Stattdessen hätte nach Einschätzung von Flightright die Gefahr bestanden, dass Reisende mit Einschränkungen zu rechnen haben. Nun müssen die Karten voraussichtlich noch einmal neu gemischt werden.