Die wichtigsten Kennzahlen von Flugproblemen in den Chaos-Sommerferien
Dieser Sommer wird für viele Flugreisende in schlechter Erinnerung bleiben, denn er war oftmals mit viel Ärger verbunden. Schuld daran waren diverse Fehlplanungen und die nicht vorhandene Weitsicht der Airlines, allen voran die der Lufthansa. Personalmangel, betriebsinterne Streiks und nicht eingehaltene Flugpläne aufgrund von Organisationsversagen sorgten für tausende Flugverspätungen und -streichungen. So haben die Airlines der Lufthansa-Group während der Sommerferien alleine mehr Flüge gestrichen als alle anderen großen Airlines zusammen. Wie sich das ganze Flugchaos des Sommers in Zahlen ausdrückt, zeigt Claudia Brosche, Fluggastrechtsexpertin bei Flightright.
Lufthansa streicht europaweit die meisten Flüge
Einsamer Spitzenreiter bei den Flugstornierungen ist die Lufthansa. So strich die Airline, vom Anfang der Sommerferien im ersten Bundesland (Nordrhein-Westfalen) bis zum Ende der Ferien im letzten Bundesland (Bayern), insgesamt 2.853 Flüge aus Europa. Das sind in etwa doppelt so viele Flüge wie bei easyJet und dreieinhalb Mal so viele Flüge wie bei Ryanair im gleichen Zeitraum und das bei deutlich weniger durchgeführten Flügen. Von den zehn Airlines mit den meisten durchgeführten Flügen in diesem Zeitraum, hat die ehemalige deutsche Premium-Airline mit 4,12 Prozent auch prozentual die meisten Flüge gestrichen. 2019 waren es in den Sommerferien noch 893 Abflüge (0,94 %) gewesen, die die Lufthansa gestrichen hatte. Zur Einordnung kann gesagt werden, dass wir bei etwa einem Prozent an gestrichenen Flügen von einem normalen Durchschnitt sprechen. Die Lufthansa hat also mehr als dreimal so viele Flüge gestrichen wie in einem normalen Flugsommer. Auf dem zweiten Platz unter diesen zehn größten Airlines liegt bei den prozentual gestrichenen Flügen übrigens ein weiteres Mitglied der Lufthansa-Group, nämlich Eurowings mit 3,87 Prozent. Insgesamt haben die Airlines der Lufthansa-Group (Lufthansa, Eurowings und Lufthansa CityLine) im Vergleichszeitraum 4.780 Flüge (3,98 Prozent) gestrichen und damit mehr als alle anderen der zehn größten Airlines, zu denen zum Beispiel Ryanair, easyJet, Air France und British Airways zählen, zusammen (4.695 gestrichene Flüge / 0,74 Prozent).
Verspätungen und Stornierungen im Vergleich mit den Jahren 2019 bis 2021
Bei einem Vergleich der Stornierungen aller Airlines von allen europäischen Flughäfen über die Sommerferien der letzten Jahre fällt Folgendes auf: Die Stornierungen und die Verspätungen haben in diesen Sommerferien drastisch zugenommen. So wurden 1,30 Prozent (22.463) der Gesamtabflüge storniert. Außerdem hatten 0,80 Prozent (13.766) der Abflüge eine Verspätung von über drei Stunden und somit haben Flugreisende hier ebenfalls einen Anspruch auf Entschädigungen wie bei Flügen, die weniger als 14 Tage vor Abflug storniert wurden. 2021 wurden 0,51 Prozent (5.270) storniert und 0,36 Prozent (3.658) waren um mehr als drei Stunden verspätet, 2020 waren es 0,86 Prozent (7.249) und 0,20 Prozent (1.706). 2019, den letzten Sommerferien ohne Flugeinschränkungen durch die Corona-Pandemie, waren es 0,74 Prozent (16.460) und 0,54 Prozent (12.010) – somit deutlich geringere Werte, als in diesem Chaos-Flugsommer.
Claudia Brosche, Fluggastrechtsexpertin bei Flightright sagt dazu: „Dass die Airlines der Lufthansa-Group während der Sommerferien mehr Flugstornierungen als die anderen zehn größten Airlines zusammen haben, wundert uns nicht und ist auf die gravierenden Probleme der Airline zurückzuführen. Dazu gehört vor allem unzureichender Weitblick des Lufthansa-Managements. Umfragen hatten bereits vor vielen Monaten großes Nachholinteresse für Urlaubs- und Flugreisen vorhergesagt. Die hohe Nachfrage hätte die Lufthansa also nicht überraschen dürfen, da der Flugplan und die damit verbundene Passagier:innenkapazität ja seit Monaten bekannt sind. Es wäre genug Zeit gewesen, um neues Personal einzustellen und zu schulen. Außerdem waren auch voreilige Personalkündigungen schlecht kalkuliert. Lufthansa-Chef Spohr räumte nicht grundlos ein, es mit dem Sparen die letzten Jahre an der ein oder anderen Stelle übertrieben zu haben. Hinzu kommen die betriebsinternen Streiks vom Bodenpersonal und den Pilot:innen sowie die Verweigerung von anspruchsberechtigten Entschädigungszahlungen. Die Lufthansa ist nun zwar den Staat als Gesellschafter schnellstmöglich wieder losgeworden, die Passagier:innen haben davon jedoch nicht profitiert. Die Lufthansa hat diesen Sommer wirklich auf allen Ebenen versagt und hat das Vertrauen der Flugreisenden nachhaltig massiv geschädigt.”
Chaos deutscher Flughäfen größer als an anderen europäischen Großflughäfen
Auch an den Stornierungszahlen an deutschen Flughäfen lässt sich erkennen, wie chaotisch die Zustände in diesem Flugsommer waren und was Flugreisende auf sich nehmen mussten. So wurden am Flughafen Frankfurt (FRA) vom 27.06.2022 bis zum 12.09.2022 insgesamt 1.499 Abflüge gestrichen, was 3,51 Prozent der Gesamtabflüge ausmacht. Verglichen mit den Passagier:innenzahlen der 50 größten Flughäfen in Europa weist der Flughafen Frankfurt damit in absoluten Zahlen die meisten Stornierungen auf. In prozentualen Zahlen ist er auf dem zweiten Platz. Nur am Flughafen Oslo (OSL) wurden mit 5,63-prozentiger Stornierungsquote noch mehr Abflüge gestrichen. Auch an anderen deutschen Flughäfen sieht es nicht viel besser aus. Am zweitgrößten Flughafen München (MUC) wurden 2,44 Prozent der Abflüge gestrichen, am Flughafen Hamburg (HAM) sogar 2,76 Prozent. Viele der deutschen Flughäfen befinden sich bei den Flugstornierungen im Vergleich mit anderen europäischen Flughäfen in der Spitzengruppe. „Das Chaos an deutschen Flughäfen war in diesem Sommer nicht zu übersehen. Personalmangel und schlechte Organisation führten zu stundenlangen Warteschlangen bei den Sicherheitskontrollen. Zudem gingen tausende Gepäckstücke im Chaos verloren und überbuchte oder kurzfristig gestrichene Flüge sorgten für mehr Frust als Reiselust bei vielen Flugreisenden. Dass am Flughafen Frankfurt europaweit die meisten Flüge gestrichen worden, hängt mit den unzähligen Flugstreichungen der Lufthansa zusammen. Auch die vielen Flugstreichungen an den weiteren deutschen Flughäfen sind zum größten Teil auf die Lufthansa zurückzuführen. Die Leidtragenden sind die vielen Flugreisenden, die sich auf ihren Urlaub gefreut haben und stattdessen oftmals einen Albtraum erlebt haben, bevor der Urlaub so richtig losging“, so Brosche abschließend.
Weitere Grafiken zu den Flugstreichungen der Airlines
DISCLAIMER
Alle Angaben zu den Airlines und Flughäfen basieren auf den uns zur Verfügung stehenden Daten. Die Daten sind zuverlässig, erheben jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie erfassen den Zeitraum vom 27.06.2022, dem Anfang der Sommerferien im ersten Bundesland Nordrhein-Westfalen, bis zum 12.09.2022, dem Ende der Sommerferien des letzten Bundeslandes Bayern.